Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Asylbewerberleistungsgesetz in Berlin

Drucksache 17 / 10 921 - Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE)

Drucksache 17 / 10 921

Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE)

vom 05. September 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. September 2012) und Antwort

Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Asylbewerberleistungsgesetz in Berlin

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Wie viele Personen sind im Land Berlin vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz vom 18. Juli 2012 betroffen?

Zu 1.: Ausweislich der im Gesundheits- und Sozialinformationssystem (GSI) veröffentlichten Empfängerstatistik haben am 31.05.2012 berlinweit rund 8.000 Menschen Grundleistungen nach dem Asylbewerberleis- tungsgesetz (AsylbLG) erhalten, darunter 3.861 Personen durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo).

2. Wie viele der betroffenen Personen waren bereits am 01.01.2011 im Leistungsbezug (bitte nach den unterschiedlichen Regelsatzgruppen getrennt angeben)?

Zu 2.: Entsprechende Daten werden statistisch nicht erhoben und konnten auch nicht mit vertretbarem Aufwand ermittelt werden. Auch eine Abschätzung für den Bereich des LAGeSo ist in diesem Zusammenhang nicht möglich.

Ausweislich der GSI-Empfängerstatistik haben am 31.12.2010 rund 6.000 Menschen Grundleistungen erhalten. Inwieweit diese Menschen auch jetzt noch Anspruch auf Grundleistungen haben, kann nicht beurteilt werden.

3. Wie hat das Land Berlin auf das Urteil reagiert bzw. wie und wann hat der Senat die V orgaben des BV erfG umgesetzt?

Zu 3.: Unmittelbar nach Veröffentlichung des Urteils sind die neuen Leistungssätze errechnet und die Auswirkungen auf sonstige Grundsatzfragen der Leistungsgewährung geprüft worden. Ein Rundschreiben mit den vorläufigen Leistungsbeträgen und weiteren Hinweisen zur Umsetzung ist den Leistungsbehörden am 30.07.2012 zugegangen.

In der Fachsoftware sind parallel Hilfestellungen erarbeitet und entsprechende Anwenderhinweise übermittelt worden, um den Leistungsbehörden die Umsetzung zu erleichtern.

Das Rundschreiben ist mittlerweile aktualisiert worden, da sich die Bundesländer zwischenzeitlich auf bundeseinheitliche Beträge verständigt haben. Die damit verbundenen geringfügigen Korrekturen werden zum 01.10.2012 vorgenommen.

4. Wie viele Widersprüche bzw. Überprüfungsanträge für wie viele Personen sind nach Urteilsverkündung im Land Berlin eingegangen, um rückwirkend Leistungen nach AsylbLG zu erhalten (bitte getrennt nach LaGeSo und Bezirke angeben)?

Zu 4.: Die Anzahl der Widersprüche bzw. Überprüfungsanträge wird statistisch nicht erfasst. Eine Erhebung bei den Bezirksämtern konnte nicht mit vertret- barem Aufwand geleistet werden. Beim LAGeSo sind rund 600 Widersprüche eingegangen.

5. Wie viele der Widersprüche wurden bereits bearbeitet, wie viele wurden abgelehnt, wie viele führten zu neuen Leistungsbescheiden (bitte getrennt nach LaGeSo und Bezirke angeben)?

Zu 5.: Die Anzahl der bearbeiteten Widersprüche und deren Ergebnisse werden statistisch nicht erfasst. Eine Erhebung bei den Bezirksämtern konnte nicht mit vertretbarem Aufwand geleistet werden.

Eine Auswertung beim LAGeSo hat ergeben, dass bislang 155 Widersprüche zurückgenommen wurden. 51 Widersprüchen konnte teilweise abgeholfen werden. Die übrigen Widersprüche werden sukzessive abgearbeitet.

6. Erhalten aktuell noch Leistungsberechtigte eingeschränkte Leistungen nach § 1 a AsylbLG und wenn ja, wie viele und auf welcher Berechnungsgrundlage?

Zu 6.: Statistische Angaben über die Anzahl der Leistungsberechtigten mit nach § 1a AsylbLG eingeschränktem Anspruch werden nicht erhoben und konnten auch nicht mit vertretbarem Aufwand ermittelt werden.

Im LAGeSo finden generell keine Leistungseinschränkungen nach § 1a AsylbLG statt, da Asylbewerberinnen und Asylbewerber im laufenden Verfahren von der An- wendung dieser Vorschrift von Gesetzes wegen ausgenommen sind.

Dem Gesetzestext entsprechend erhält der Personenkreis nach § 1a AsylbLG die im Einzelfall nach den Umständen unabweisbaren Leistungen. Als Berechnungsgrundlage dienen auch hier die aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes neu festgesetzten Beträ-ge, wobei in der Regel nur die Leistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG erbracht werden.

7. Teilt der Senat die Einschätzung, dass vor dem Hintergrund des Urteils des BV erfG eingeschränkte Leistungen nach § 1 a AsylbLG das verfassungs rechtlich garantierte Existenzminimum unterschreiten und somit unzulässig sind (bitte begründen)?

Zu 7.: Der Senat sieht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wortlaut des § 1a AsylbLG einerseits und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts andererseits. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht nicht die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift festgestellt, so dass sie für die Dauer der Übergangsregelung weiterhin anwendbar ist. Ob nach den Hinweisen des Bundesverfassungsgerichts eine vergleichbare V orschrift Eingang in die Neufassung des Gesetzes finden wird, bedarf der Prüfung durch den Bundesgesetzgeber.

8. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt aktuell die Berechnung der Kosten für die Unterkunft von Asylsuchenden, die in eigenen Wohnungen leben? Gilt hier die Wohnaufwendungenverordnung (WAV) entsprechend?

Zu 8.: Die Wohnaufwendungenverordnung (WAV) findet bis auf weiteres nach Maßgabe der Ausführungsvorschriften über die Anmietung von Wohnraum durch Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AV Wohn-AsylbLG) entsprechende Anwendung.

Berlin, den 1. Oktober 2012

In Vertretung
Michael Büge

Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Okt. 2012)

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