Ausgrenzung von Rollstuhlbenutzer/innen nach Sanierung der Schwimmhalle Sewanstraße
Drucksache 17/ 10 819 - Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE)
Drucksache 17/ 10 819
Kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE)
vom 07. August 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. August 2012) und Antwort
Ausgrenzung von Rollstuhlbenutzer/innen nach Sanierung der Schwimmhalle Sewanstraße
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Ist dem Senat bekannt, dass es nach der Sanierung der Schwimmhalle Sewanstraße, die nach Angaben der Berliner Bäderbetriebe 1,1 Million Euro gekostet hat, Rollstuhlbenutzer/innen unmöglich ist, diese in Anspruch zu nehmen und wie bewertet der Senat dieses Ergebnis?
2. Welchen Anspruch hat der Senat an Sanierungen von Schwimmhallen mit Blick auf die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung?
Zu 1. und 2.: Sowohl meiner Verwaltung als auch den Berliner Bäder-Betrieben (BBB) ist bewusst, dass die Sicherung von Nutzungsmöglichkeiten in öffentlichen Bädern für Menschen mit Behinderung ein wichtiger Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Deshalb wirken meine Verwaltung und die BBB, als Betreiber öffentlicher Bäder in Berlin, insbesondere auch im Rahmen der Bädersanierung und dem damit verbundenen Bädersanierungsprogramm, darauf hin, dass die Ziele des Art. 30 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden und ihnen so eine gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten ermöglicht wird.
Die im Rahmen des Bädersanierungsprogramms 2007 bis 2012 zur Verfügung gestellten Mittel sind - nach Vorgabe des Parlaments - zweckgebunden zum Abbau des Instandhaltungsstaus. Die Herstellung von Barrierefreiheit in allen Bädern ist damit - trotz des berechtigten Interesses - nicht erreichbar.
Im Zusammenhang mit den Sanierungsmaßnahmen haben die BBB, soweit dies baulich möglich und finan- zierbar war, dennoch auch die Bedingungen für die Nutzung durch Menschen mit Behinderung - zum Teil sehr deutlich - verbessert.
Die Konzeption der Schwimmhalle Sewanstraße als „Sportstätte für den Schul- und Volkssport“ sah bei der Errichtung des Bades keine Nutzung durch behinderte Besucherinnen und Besucher vor. Dem entsprechen auch die baulichen Gegebenheiten, die im Zuge der Sa- nierungsmaßnahmen nicht wesentlich verändert werden konnten. Der Umbau des Bades zu einem barrierefreien Bad war angesichts der beschränkten Zielstellung des Bädersanierungsprogramms - Abbau des Instandhaltungs- staus - weder geplant noch finanzierbar. Die Anfang des Jahres abgeschlossenen Baumaßnahmen (Maßnahmen zur Fassadenerneuerung, Erneuerung der keramischen Aus- kleidung des Beckens, Erneuerung des Beckenumgangs, Erneuerung der Badewasseraufbereitung usw.) dienten der Instandsetzung der Schwimmhalle sowie der An- passung an den heutigen Stand der Technik. Damit konnte dieser Badstandort langfristig gesichert werden.
Zurzeit ist die Schwimmhalle Sewanstraße für Rollstuhlbenutzerinnen und Rollstuhlbenutzer über eine Ram- pe am Personaleingang erreichbar. Der Einbau eines so genannten Pool-Lifts ist vorgesehen, sobald eine Finanzierung möglich ist. Durch den Einbau von dafür notwendigen Hülsen im Beckenumgang sind im Vorfeld bereits entsprechende V orkehrungen getroffen worden.
In einem von den BBB geplanten gemeinsamen Vor- Ort-Termin soll mit der Beauftragten für Menschen mit Behinderung des Bezirks sowie dem Architekten noch- mals geprüft werden, welche Maßnahmen eventuell nachträglich - ohne großen finanziellen oder baulichen Aufwand - umgesetzt werden könnten, um die Situation in der Schwimmhalle für die Betroffenen zu verbessern.
3. Warum wurde die Zusage des Direktors der Berliner Bäderbetriebe an den Landesbeirat für Menschen mit Behinderung, dass alle Schwimmhallen, die in Berlin zur Sanierung anstehen, barrierefrei gestaltet werden, nicht eingehalten?
Zu 3.: Erkenntnisse hinsichtlich einer diesbezüglichen verbindlichen Aussage seitens des Vorstandes der BBB liegen meiner Verwaltung nicht vor.
4. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat für seine Arbeit aus dem empörenden und enttäuschenden Ergebnis für Menschen mit Behinderungen?
Zu 4.: Der Senat wirkt darauf hin, dass die Ziele der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Be- hinderungen in allen Bereichen berücksichtigt werden, um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Wie zu 1. und 2. dargestellt, ist das Bädersanierungs- programm finanziell nicht so ausgestattet, dass bei der Durchführung der Maßnahmen in allen Bädern ein befrie- digender behindertengerechter Zugang bzw. Barrierefrei- heit geschaffen werden kann bzw. konnte. Die Vorhaben des Bädersanierungsprogramms waren und sind zweck- gebunden zum Abbau des Instandhaltungsstaus. Nach der Bauordnung von Berlin sind bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, so instand zu halten, dass sie u. a. von Menschen mit Behinderung über den Haupt- zugang barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können. V on diesem Grundsatz gibt es bestandsbedingte und wirtschaftliche Ausnahmen.
Durch rechtzeitige Information über geplante V or- haben, insbesondere Großprojekte, und eine Zusammen- arbeit mit den örtlichen Behindertenvertreterinnen und Behindertenvertretern sowie den Beauftragten für Men- schen mit Behinderung konnten allerdings diverse finanzierbare und umsetzbare behindertengerechte Maß- nahmen beraten, abgestimmt und umgesetzt werden, so z.B. bei den Schwimmhallen Märkisches Viertel und Hüttenweg, bei der Sanierung des Stadtbades Schöneberg oder zzt. bei der Sanierung der Schwimmhalle Fincken- steinallee. Insoweit vermag der Senat die Bewertung der Fragestellung nicht zu teilen.
5. Welche Schwimmhallen der Berliner Bäder- Betriebe sind zurzeit für Rollstuhlbenutzer/innen zugänglich und nutzbar?
Zu 5.: Für insgesamt acht Bäder der BBB ist bereits das Signet „Berlin barrierefrei“ gemäß der gültigen Kriterien vergeben. In weiteren Bädern wurden Voraussetzungen geschaffen, um die Nutzung der Bäder für Menschen mit Behinderung zu erleichtern, auch wenn diese nicht gänzlich barrierefrei gestaltet sind.
Folgende Bäder haben das Signet “Berlin barrierefrei“ erhalten und sind somit ungehindert für Rollstuhl- benutzerinnen und Rollstuhlbenutzer zugänglich und nutzbar:
Sommerbad Neukölln,
Schwimmhalle Holzmarktstraße,
Bad am Spreewaldplatz,
Schwimmhalle „Helmut Behrendt“ am Helene-Weigel-Platz,
Kombibad Seestraße,
Stadtbad Neukölln,
Paracelsusbad und
Schwimmhalle Märkisches Viertel.
Darüber hinaus sind u. a. die Schwimmhalle Ernst- Thälmann-Park, die Schwimm- und Sprunghalle im Europa-Sportpark (SSE), das Stadtbad Lankwitz, die Schwimmhalle Hüttenweg, das Stadtbad Schöneberg und die Kleine Schwimmhalle Wuhlheide für Rollstuhl- benutzerinnen und Rollstuhlbenutzer geeignet.
6. Welche Schwimmhallensanierungen sind wann geplant?
Zu 6.: Aus Mitteln des Bädersanierungsprogramms (sowie des Umweltentlastungsprogramms II und des Investitionspaktes) werden in diesem und im kommenden Jahr die Sanierungsmaßnahmen in der Schwimmhalle Finckensteinallee sowie in den Kombibädern Gropius- stadt und Spandau Süd begonnen bzw. fortgeführt.
Aus Mitteln des für 2012 gewährten investiven Zuschusses an die BBB in Höhe von 5 Mio. € wird u.a. die Schwimmhalle Thomas-Mann-Straße grundhaft saniert (Gebäudehülle, Technik) werden. Der Umfang der notwendigen Maßnahmen in diesem Bad wird zzt. gutachterlich festgestellt.
Die Planung für konkrete Maßnahmen in diversen weiteren Bädern ist in Vorbereitung.
Berlin, den 29. August 2012
Frank Henkel
Senator für Inneres und Sport
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Sep. 2012)